Auf dem Foto kneift das neugeborene Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren leicht die Augen zusammen und zieht die Arme zum Kopf. Die Aufnahme des Kindes, die Polizeisprecher Manfred Vonhausen in den Händen hält, zeigt das Neugeborene, bevor es nur wenige Stunden nach der Geburt aus einem Krankenhaus im Frankfurter Stadtteil Höchst entführt wurde.
"Die Mutter hat uns erzählt, dass eine Frau in ihr Zimmer kam, das Kind mitnahm und nicht mehr wiederkam", beschreibt Vonhausen den Hergang der Tat gegen 12.30 Uhr. Die Mutter, die libanesischer Herkunft sei und so gut wie kein Deutsch spreche, habe geglaubt, ihr Kind werde von der Frau fotografiert und danach zurückgebracht. Allerdings kehrte die Frau nicht wieder zurück.
Polizei sucht mit Hubschrauber
Seitdem fahndet die Polizei mit allen verfügbaren Einheiten sowie mit einem Hubschrauber nach dem verschwundenen Säugling. Bei der Suche nach dem etwa 3200 Gramm schweren und 51 Zentimeter großen Mädchen soll auch ein Spürhund der Polizei zum Einsatz kommen, um den Aufenthaltsort des Säuglings so schnell wie möglich ausfindig zu machen.
Den Angaben der Mutter zufolge hatte die Frau, die den Säugling mitnahm, einen Kinderwagen dabei. Auch habe vor der Tür des Zimmers auf der Neugeborenenstation eine zweite Frau gewartet.
"Die Eltern müssen Höllenqualen durchmachen"
Nach Angaben von Polizeisprecher Vonhausen wird wegen Kindesentzugs ermittelt. Weil es bisher keine Lösegeldforderung gegeben habe, werde nicht von Kindesentführung gesprochen, sagte Vonhausen. Die Verständigung mit der Mutter gestalte sich indes schwierig. Deshalb seien möglicherweise noch nicht alle relevanten Beobachtungen und Details zu der Tat bekannt.
Ganz gleich wie man diesen Vorfall nenne, "die Eltern des Kindes müssen Höllenqualen durchmachen", sagt eine 29-jährige Frau, die im Krankenhaus eine Patientin besucht. Sie mutmaßt, dass eine der Täterinnen vielleicht selbst ein Kind verloren haben könnte.
Eine Patientin, die in einem Aufenthaltsraum der Klinik sitzt, sagt, das sei mitunter das Schlimmste, was einer Mutter passieren könne. Sie "habe davon erst etwas mitbekommen, als Kamerateams und Reporter mit Mikrofonen hier auftauchten". Es sei einfach erschreckend, dass so etwas passiere.
Eltern werden intensiv betreut
Die Eltern des verschwundenen Kindes "erhalten derzeit alle mögliche Unterstützung von der Klinik", betonte der Assistent der medizinischen Geschäftsführung. Ob und inwieweit solche Zwischenfälle durch ein höheres Maß an Sicherheit künftig verhindert werden könnten, dazu äußerte sich das Krankenhaus nicht. Vorrangig sei nun, dass das Kind gefunden werde.
Die Ermittler hoffen unter anderem, dass die beiden Frauen auffallen, wenn sie etwa Windeln oder Babynahrung kaufen. Eine der beiden Tatverdächtigen soll etwa 30 Jahre alt sein. Sie soll Jeans, ein weißes Oberteil und ein weißes Kopftuch getragen haben. Ihre Komplizin vor der Tür wird auf 25 Jahre geschätzt. Die blonde Frau war ebenfalls mit hellen Jeans und weißem Pulli bekleidet. Sie wird als kräftig bis dick beschrieben.
Die Annahme der Mutter des verschwundenen Säuglings, dass ihre Tochter lediglich für ein Foto abgeholt wurde, war nicht unbegründet. Das Krankenhaus bildet schließlich auf seiner Internetseite auch "die Neugeborenen der letzten Tage" ab, wie es dort heißt.