Ärzte und Psychologen sollen künftig von ihrer Schweigepflicht entbunden werden, wenn es "gewichtige" Hinweise auf eine Kindesmisshandlung in der Familie gibt. Die Ärzte dürfen dann Informationen an das zuständige Jugendamt weitergeben.
Diese Neuregelungen sieht der Entwurf der Bundesregierung für ein Bundeskinderschutzgesetz vor, den Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Mit dem Gesetz sollten bislang unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern zur Schweigepflicht von Ärzten und Psychologen bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls "auf eine einheitliche Grundlage" gestellt werden, sagte Schröder.
Das Kinderschutzgesetz ziele darauf ab, einerseits die "enge Vertrauensbeziehung" zwischen Arzt und Patient zu schützen und gleichzeitig eine "Brücke zum Jugendamt" zu bauen.
Unter Kinderärzten ist die geplante Lockerung der Schweigepflicht nicht unumstritten. Einige Ärzte befürchten, dadurch könne das Vertrauensverhältnis zum Patienten nachhaltig gestört werden. Andere wiederum erwarten sich von der Regelung größere Rechtssicherheit.
Im vergangenen Jahr waren bundesweit 3490 Fälle von Misshandlungen von Kindern unter 14 Jahren bei den Polizeibehörden gemeldet worden. Die Dunkelziffer dürfte ungleich höher liegen.
Schon 2008 hatte die große Koalition einen Entwurf für ein Kinderschutzgesetz erarbeitet. Dieser war jedoch bei Experten auf massive Kritik gestoßen und im anschließenden Bundestagswahlkampf 2009 untergegangen.
Schröder versicherte nun, sie habe bei ihrem Entwurf für ein Kinderschutzgesetz die Empfehlungen von Fachleuten und Wissenschaftlern, Ländern und Kommunen einbezogen. Der Dialog habe sich gelohnt. Daher habe das neue Bundeskinderschutzgesetz, das zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, "seinen Namen wirklich verdient".
Ein "zentraler Baustein" in dem Bemühen, Kinder vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen, sei der geplante Einsatz von Familienhebammen. Diese würden bei werdenden Eltern ein "besonderes Vertrauen" genießen, betonte Schröder.
Deshalb sollten sie in Problemfamilien präventiv und beratend tätig werden. Der Bund wolle für den Einsatz der Familienhebammen jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Mit dem Kinderschutzgesetz werde die rechtliche Grundlage geschaffen, dass Hilfeangebote von den Familien vor und nach der Geburt eines Kindes in Anspruch genommen werden können.
Alle wichtigen Akteure im Kinderschutz sollten zudem in einem "Netzwerk Frühe Hilfen" zusammengeführt werden. Dazu gehörten neben Jugend- und Gesundheitsämtern, Schulen und Polizei auch Krankenhäuser, Ärzte und Beratungsstellen für schwangere Frauen.
Diese Akteure müssten sich im Konfliktfall untereinander austauschen, so Schröder. Merke etwa ein Krankenhausarzt, dass eine Mutter nach der Geburt große Schwierigkeiten habe, eine Bindung zu ihrem Kind aufzubauen, könne der Arzt "direkt" eine Familienhebamme einschalten.