Seit fast 100 Tagen ist Mirco aus Grefrath verschwunden. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass der Entführer des Kindes einen Mitwisser hat. Der Ermittlungsaufwand ist nach wie vor gewaltig: 15.000 Autos müssen überprüft, mehr als 7000 Hinweise aus der Bevölkerung abgearbeitet werden.
Es sei sehr wahrscheinlich, dass ein enger Verwandter oder Bekannter den mutmaßlichen Kindermörder decke, sagte Sonderkommissions-Leiter Ingo Thiel.
Dass Mirco lebend gefunden wird, davon geht Thiel nicht aus. Eine Entführung wie im Fall der jahrelang vermissten Österreicherin Natascha Kampusch sei zwar nicht auszuschließen, aber wenig wahrscheinlich. "Die Spurenlage deutet nicht darauf hin, dass Mirco noch am Leben ist", so Thiel. Man habe anders als bei vielen anderen Gewaltverbrechen derzeit weder eine Leiche noch eindeutige Spuren, die zum Täter führten. "Von daher ist dieser Fall Mirco sicherlich einzigartig und bislang noch nicht da gewesen", betonte Thiel.
Entführer hat bislang "Schwein gehabt"
Thiel ist aber davon überzeugt, den Entführer zu finden. Die Tatsache, dass der Täter bislang noch nicht gefasst worden sei, habe der Mann nicht seiner Cleverness zu verdanken. Er habe bis dato lediglich "Schwein" gehabt. "Das wird er aber nicht mehr lange haben. Es ist unsere Verpflichtung den Eltern gegenüber, den Täter zu fassen."
Der Entführer habe durchaus auch Fehler begangen. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist unser Mann schon einmal in Erscheinung getreten, wenn auch nicht unbedingt durch ein Sexualdelikt", sagte Thiel. Trotz zahlreicher Zeugenvernehmungen sei in den vergangenen drei Monaten aber noch niemand als Tatverdächtiger eingestuft worden.
Täter beging vielleicht Selbstmord
Die Polizei prüft alle Eventualitäten und untersucht derzeit sogar die Selbstmorde in der Region. Möglicherweise finde sich der Täter unter den Toten, weil er dem Fahndungsdruck nicht mehr standgehalten habe.
Der Ermittlungsaufwand ist immens: Unter anderem für die Überprüfung der 15.000 Autos des Typs VW Passat Kombi wurde die Sonderkommission wieder auf 65 Beamte aufgestockt. Knapp 400 Fahrzeuge des Typs der Baureihe B 6 seien bislang untersucht worden. Die Überprüfung werde noch einige Wochen in Anspruch nehmen, so Soko-Leiter Thiel.
Bislang sind bei der Sonderkommission 7700 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Die jüngste Hinweisgeberin sei sieben Jahre, die älteste 97 Jahre alt gewesen. Anrufe aus Namibia, Estland, Lettland und der Schweiz hätten die Sonderkommission erreicht. Täglich würden 50 neue Hinweise auf entsprechende Fahrzeuge bei der Sonderkommission eingehen. Thiel kündigte an, dass die Ermittler die Weihnachtsfeiertage durcharbeiten werden.
Fahnder vermuten einen Mann hinter der Tat
Auch Profilfahnder des Landeskriminalamtes seien in die Suche nach dem Entführer des Jungen mit einbezogen. "Wir gehen davon aus, dass es sich beim Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Mann handelt. Unserer Ansicht nach hat er die Tat alleine begangen, wir können allerdings nicht ausschließen, dass er Hilfe hatte", sagte der Soko-Leiter.
Einen Massengentest haben die Ermittler indes vorerst nicht geplant - offenbar fehlt es am entsprechenden Spurenmaterial. "Wenn ich Sperma, Blut oder ein Haar mit ausgerissener Wurzel habe, habe ich eine hervorragende DNA-Spur. Gehen Sie davon aus, dass wir dies nicht haben", so Thiel.
Rechtshilfe aus den Niederlanden würde Monate dauern
Kritik äußerte Thiel unter anderem an der Zusammenarbeit mit den Behörden in den Niederlanden. So habe die Sonderkommission bislang gar nicht den Versuch unternommen, im nahen Grenzgebiet in den Niederlanden alle dort gemeldeten VW Passat Kombi zu erfassen. Diese Maßnahme setze ein zeitlich aufwändiges Rechtshilfeersuchen voraus, dass "frühestens in sechs Monaten" beantwortet werde, sagte Thiel.
"Das Schengen-Abkommen können sie sich an die Wand nageln. Wir bekommen schneller Daten aus Polen als aus den Niederlanden", sagte der Ermittler. Nur auf dem "kleinen Dienstweg" funktioniere die Zusammenarbeit unbürokratisch und rasch. Grefrath liegt unweit der deutsch-niederländischen Grenze.
Die Analysen des Landeskriminalamts zu DNA-Spuren dauern weiter an. Mirco war am 3. September bei Grefrath am Niederrhein im Alter von zehn Jahren auf dem Nachhauseweg entführt worden. Zeitweise suchten 1000 Polizisten nach dem Kind. Die Polizei geht davon aus, dass der Junge einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen ist.